„Vielleicht bin ich noch kein Deutscher, aber ich bin auf jeden Fall schon Hamburger – aus vollem Herzen.“

Diesen Satz sprach Sasha im Hochsommer 2017, als ihn der Journalist und Buchautor Axel Limberg zu seinen Fluchterfahrungen, zur Verfolgung queerer Menschen in Syrien und zum Ankommen in Deutschland wiederholt befragte.

Das Thema "Queere Geflüchtete" ist aus mehreren Gründen ein Bildungsthema:

Die GEW setzt sich für Chancengleichheit, soziale Gerechtigkeit und eine inklusive Gesellschaft ein.

Queere geflüchtete Menschen sind eine besonders vulnerable Gruppe, die oft mehrfachen Diskriminierungen ausgesetzt ist – sowohl aufgrund ihrer Herkunft als auch ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität. Daraus ergeben sich wichtige bildungspolitische Aspekte:

Bildungseinrichtungen sind oft erste Anlaufstellen, in denen Geflüchtete Sprache, Kultur und Rechte des Aufnahmelandes kennenlernen. Queere Geflüchtete benötigen spezifische Unterstützung, um sich in die Gesellschaft zu integrieren, ohne erneut Diskriminierung oder Ausschluss zu erfahren.

Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte spielen eine Schlüsselrolle dabei, das Bewusstsein für die Situation queerer Geflüchteter zu schärfen und diese Themen in den Unterricht zu integrieren. Dazu gehört auch die Förderung von Akzeptanz und Toleranz in Schüler*innen- und Kolleg*innenkreisen.

Aus diesen und vielen weiteren Gründen lud die GEW am Nachmittag des 21.09.2024 zu einer ganz besonderen Lesung nach Celle ein.

Inmitten der schönen Altstadt verlängerte Stefan Jakubik die Öffnungszeit seines Geschäfts für die Gäste der Veranstaltung. Und das Orga-Team brachte neben Getränken allerlei Süßes und Salziges mit; auch ein passender Büchertisch wurde vorbereitet. Danke dafür!

Aus Köln war Lilith Raza angereist, ein Trans-Aktivistin aus Pakistan, die auch für den LSVD arbeitet.

In Pakistan hatte sie kein selbstbestimmtes freies Leben, musste ihre sexuelle und geschlechtliche Identität verstecken. Sie hatte das Bedürfnis, ihre Sexualität endlich offen auszuleben. Und die Hoffnung, dass sie das in Deutschland könnte. Sie schrieb sich an der Uni Köln für ein Masterstudium in Umweltwissenschaften ein und kam im Oktober 2012 mit einem Studentenvisum an. Nachhaltig wirken ihre Geschichten, die sie aus zwei Büchern las – Bücher von Autor*innen, die sie im Laufe der Zeit interviewten.

Interessant ist auch das, was sie über ihre Studien berichtete.

In ihrer Masterarbeit beschäftigte Lilith sich mit dem Zusammenhang von Klima und Migration. Klimaflucht beginnt auf Inseln, bereits viele Jahre bevor diese überflutet werden.

Klimaflucht beginnt, wenn Leben dort unmöglich wird. Oft ist fehlendes Süßwasser der Grund.

Im zweiten Teil der Lesung hörten die Teilnehmenden Sashas Fluchtgeschichte.

Aufgeschrieben und veröffentlicht wurde diese von Axel Limberg.

Sasha war am Ende seiner langen Flucht in Norddeutschland angekommen und das in mehrfacher Hinsicht.

Axel Limberg, der sich wegen unzähliger Staus auf der Autobahn von Hamburg nach Celle verspätete, las aus seinem Buch „Das rettende Ufer“.

Neben Sashas Geschichte sammelte er darin noch viele weitere Lebens-, aber auch Leidensgeschichten von schwulen Geflüchteten.

Der Autor ist nicht nur Journalist, sondern auch ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer. Für sein Engagement zeichnete ihn der Bundespräsident vor kurzem mit dem Bundesverdienstkreuz aus. Den Teilnehmenden stellte er sein Projekt „Safe House“ vor. Auch in Deutschland werden queere Geflüchtete von Landsleuten verfolgt und benötigen besondere Schutzräume. Aktuell werden beispielweise zwei tschetschenische lesbische Frauen von Landsleuten durch Hamburg gejagt und benötigen daher dringend anonyme Schutzräume. Die Gäste der Lesung spendeten für dieses wichtige Projekt.

Am eindrücklichsten war in diesen drei Stunden für viele das Interview, das Thomas Lange mit Gio aus Georgien führte. Georgien gilt für die Bundesrepublik als sicheres Herkunftsland. Für queere Menschen ist es dort aber lebensgefährlich.

Gio erzählte, teilweise unter Tränen, davon, wie ihn ein Arbeitskollege nach dem Entdecken seines Schwulseins verfolgte und mit kochendem Wasser übergoss.

Von den Referent*innen erfuhren die Teilnehmenden vieles über die Herausforderungen und Kämpfe queerer Geflüchteter, aber auch von ihrer Stärke, ihrem Mut und ihrer Hoffnung.

Die Gespräche zeigten, wie bedeutend Solidarität, Sichtbarkeit und Unterstützung sind – sowohl auf persönlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene.

Diesen Austausch gilt es nun weiterzutragen und gemeinsam für eine Welt einzutreten, in der niemand aufgrund von Herkunft oder Identität diskriminiert wird.

Vielen Dank an Thomas Lange und das Orga-Team für diesen eindrucksvollen Nachmittag!